Matthias David (links) und Dr. Matthias Burchardt (rechts)

Die zweifache Einmaligkeit

Der Fall Henschel ist einmalig. Punkt!

Denkste …

Als wir vor drei Jahren die Arbeit in Sachen Henschel aufgenommen haben, verließen wir gewohnte und vertraute Pfade. Neuland tat sich auf, dessen Verlauf niemand kannte. Es wurde zu einer phantastischen Reise durch eine Bilderwelt und ein Menschenleben. Das Leben und Schaffen Henschels. Es wurde oft von der Einmaligkeit erzählt und wir pflichteten dem bei; bis heute.

Klar kannten wir auch den „Fall“ Hapke. Erwin Hapke, jener Künstler, der verstarb und ein hausgewordenes Kunstwerk voller Faltkünste hinterließ. Die Berichte darüber begegneten uns in den letzten 3 Jahren immer wieder in den Medien, die wir in dieser Zeit naturgemäß genau beobachteten. Jüngst hat sich der WDR noch einmal mit dem Künstler Erwin Hapke beschäftigt und eine sehr gelungene Infoseite ins Netz gestellt. Hier werden die Person, seine Kunst und das Haus noch einmal detailliert unter die Lupe genommen und die Informationen in gut gegliederten Häppchen aufbereitet.

Es lohnt sich: https://reportage.wdr.de/die-gefaltete-welt-des-erwin-hapke#22062

Wer sich ein wenig mit dem Menschen Henschel beschäftigt hat und nun die Informationen von Hapke daneben legt, wird erstaunt feststellen, dass es da mehr als nur eine deutliche Parallele gibt. Der direkte Vergleich beider Leben und Laufbahnen birgt so viele Gemeinsamkeiten, dass wir uns mit einer gewissen Vorfreude gezwungen sahen, den Kontakt mit dem Erben dieses Künstlers zu suchen, um uns auszutauschen. Dr. Matthias Burchardt ist der Neffe des Künstlers und hat dem Treffen erstaunt wie postwendend zugesagt. Heute fand unser Treffen statt. Vorweg jedoch eine Auflistung der Dinge, die einer Zusammenfassung lohnen:

Erwin Hapke Heinz Henschel
1937-2016 1938-2016
Vertreibung aus Ostpreusen Vertreibung aus Schlesien
Schlosser Schlosser/Dreher
Autodidakt Autodidakt
ungewöhnlich sparsam ungewöhnlich sparsam
kryptische Notizen Geheimschrift
Biografie vernichtet Alles Private vernichtet
Wer war Ulla? Wer war Anna?
Faltet 35 Jahre im Verborgenen Malt 50 Jahre im Verborgenen
Erbe beginnt kunsthist. Aufarbeitung Erbe beginnt kunsthist. Aufarbeitung
Ausstellungen erregen Aufmerksamkeit Ausstellungen erregen Aufmerksamkeit

 

Geburtsjahr und Ort sind so nahe beisammen wie der Tod. Beide Künstler erfuhren recht früh im Leben eine schwere Traumatisierung durch die Vertreibung durch die rote Armee. Beide haben eine Ausbildung zum Schlosser durchlaufen, Hapke jedoch nimmt später eine akademische Laufbahn zum promovierten Biologen. Henschel hingegen bleibt dem Metall treu. Beide gelten als Autodidakten der Kunst. Während Hapke äußerst sparsam ist, lebt Henschel nicht minder spartanisch, am Ende fast asketisch. Hapke hat seine Notizen teils in kryptischen Zeichen verfasst, Henschel legt sich seine eigene Symbolschrift zu. Keiner der beiden lässt eine nachträgliche Rekonstruktion der Dinge zu, indem sie ihre Biografien vernichten, bzw. alles beiseiteschaffen, was Rückschlüsse auf ihre Person zulässt. Die Anna im Leben von Henschel, die unbelegt bleibt und die niemand kennt, heißt bei Hapke Ulla. Hapke zieht sich gesellschaftlich zurück und beginnt zu falten. Henschel lebt zwar einerseits weiter in geselliger Runde (Vereine), zieht sich aber oft konsequent zurück, wenn ihm danach ist, um zu malen. Beide tun dies seit Jahrzehnten unauffällig und nahezu unbemerkt.

Beim heutigen Treffen im Kölner Museum für ostasiatische Kunst saßen sich zwei Menschen gegenüber, die seit 2016 die identische Aufgabe erhalten haben und an die sie mit der entsprechenden Verantwortung und Energie herangingen. Matthias Burchardt und Matthias David. Der eine Jahrgang 66, der andere 67. Es war ein wenig so, als träfe man jemand, der die gleiche seltene Krankheit hätte, um sich endlich vertrauensvoll austauschen zu können. Nur eben, dass uns etwas Wundervolles in unsere Hände gelegt wurde. In beiden Fällen zogen die folgenden Ausstellungen die Menschen in ihren Bann. Der gleiche Weg über die Medien, die vielen Nachfragen, die Erfahrungen mit Museen, Galerien und dem Kunstmarkt und seinen ungeschriebenen Gesetzen, die teilweise einem schlammigen Trampelpfad mit vielen Fußangeln gleichkommen. Das Zusammentreffen mit Menschen, die an unseren Geschichten teilhaben, uns ihre Liebe zum Künstler vermitteln und uns wissen lassen, dass wir auf einem guten Weg sind. Letztendlich auch die Frage wohin die Reise geht.

Zwei Erben, die sich treffen, die kaum abwarten können, die Geschichte des anderen zu hören. Zwei, die sich auf Augenhöhe angrinsen, wenn die nächste Gemeinsamkeit entdeckt wird. Zwei Matthiasse, die sich nun überlegen, ob da nicht mal was zusammen geht.