Pressentesten

Günter Küsters war der Mensch, der Henschel an die Radierung heran führte. Der Kunstpädagoge aus Dülken lieh ihm eine Schulpresse, damit er sich an der Radierung ausprobieren konnte. Henschel muss begeistert gewesen sein, angesichts der neuen Möglichkeiten. Fortan ließ er die Ölmalerei links liegen. Kurze Zeit später baute sich der Metallarbeiter selber eine Presse nach dem Vorbild der Leihgabe. Die Tatsache, dass er im Nachgang eine zweite, größere Presse baute, hatte einen ganz bestimmten Grund. Diesen Grund haben wir nun (vermutlich) nachvollzogen.

Mit einem weiteren Kunstpädagogen – Gerd Baum aus Kevelaer – haben wir die selbstgebauten  Druckerpressen von Henschel noch einmal in Betrieb genommen. Die benötigten Materialien waren schnell zusammen getragen und frische Farbe wurde geordert. Henschel hat gut 90 Druckstöcke hinterlassen, von denen einige nicht mehr als Originaldruck zur Verfügung stehen. Eine tolle Gelegenheit sich die verschollenen Motive noch einmal vor Augen zu führen.

Dies war leichter gesagt als getan. Begonnen wurde mit der kleinen und erstgebauten Presse. Wir scheiterten an allen Punkten, an denen Henschel vermutlich auch gescheitert sein muss. Der Pressdruck reichte nicht aus, um die Farbe aus den Vertiefungen der Radierung auf das Papier zu bringen. Erst ein mehrfaches Pressen brachte Abhilfe.  Nun muss man wissen, dass Heinz Henschel oft zu unkonventionellen Mitteln griff, beispielsweise Druckplatten aus Resopal. Die Stärke des Materials bedingt, dass eine Druckplatte beim zweiten „Überrollen“ schon mal aufgrund der hohen Kante des Druckstocks beim Auftreffen auf die Walze verschoben wird. Ein Schattenbild ist das Resultat. Verringert man hingegen den Pressdruck wird das Motiv zu kontrastarm, erhöht man ihn, schiebt die Walze die Platte vor sich her. Gegebenenfalls könnte eine dickere Filzmatte als die verwendete Abhilfe schaffen.

Vermutlich hat Henschel  sich auch aus diesem Grund die größere Presse gebaut. Der hohe Pressdruck erlaubte es, dass ein einziger Durchlauf genügend Farbe ins Blatt drückte. Nach 3 Stunden intensiver Beschäftigung mit der kleinen Presse, ahnten wir den Grund und gingen den Weg, den auch Henschel ging: zur großen Presse. Schon mit dem ersten Druck erlebten wir endlich ein Aha-Erlebnis. Ein einziger Zug durch den Pressgang brachte die gewünschte Schärfe bei hohem Kontrast. Die Papierwahl war ein weiterer Faktor. Die richtige Kombination aus Beschaffenheit der Papieroberfläche und deren Feuchtigkeit, dem richtigen Pressdruck und der Stärke der Farbe, die vorher aufgetragen wird, sowie die Konsistenz der Farbe, spielen eine entscheidende Rolle für das Ergebnis.

Fakt bleibt, dass keiner unserer Drucke an die Qualität von Henschel heran reichte. Seine Drucke waren perfekt, während wir noch in den Kinderschuhen um die Pressen liefen. Immerhin, wir haben uns den Ergebnissen angenähert. Als wir so richtig in Fahrt waren, gingen uns die Materialien aus. Wir hatten lediglich 20 Drucke eingeplant, weil wir nicht davon ausgehen konnten, dass die Höhe/Stärke der Druckstöcke einen solchen Einfluss auf den Prozess nehmen würden.

Sicher ist, dass dieser Test fortgesetzt wird. Wir wollen verstehen, welche Seele in diesen Pressen wohnt und wie man sie kitzeln muss, um auch nur annähernd an die Ergebnisse zu kommen, die Heinz Henschel ihnen entlockt hat. Und wir wollen die Bilder wieder herstellen, von deren Zeugnis lediglich das Vorhandensein der Druckplatte erzählt.

Welche der beiden Pressen in der Ausstellung zu sehen sein wird, hängt von der Passierbarkeit im zur Verfügung stehenden Raum ab. Eng wird es aufgrund der Vielfalt zwangsläufig. Es ist ein Abwägen zwischen hoher Bandbreite und der Vermeidung  einer Reizüberflutung.

Die Fotostrecke des Nachmittags: